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Eine Traumreise ging in Erfüllung
(von Ilona Münker)
Als am 19.Juni 2003 der bunte Zigeunerwagen, gezogen von den beiden westfälischen Kaltblutstuten Hanna und Henriette, unter großem Applaus und Musikbegleitung sich auf die ca. 600 km lange Reise machte, bekamen Passanten und Kraftfahrer Stilaugen. Einige Freunde und Bekannte hatten sich mit Pferd und Gespann eingefunden um uns auf dem ersten Stück Weg zu begleiten. Nun lag Sie vor uns, die Traumreise nach Berlin, mein Mann Peter und ich waren nun doch ein wenig aufgeregt, würde alles gut klappen, würden wir die Tagestouren schaffen, würden Hanna und Henriette die Reise gut überstehen? Tausend Dinge gingen durch unsere Köpfe.
Aber dann als nach 30 km die erste Station am späten Nachmittag erreicht wurde und wir in Saalhausen auf dem Trillingshof herzlich empfangen wurden, war alle Aufregung vergessen.
Unserer Tagesablauf war wie folgt: Morgens um fünf stand mein Mann Peter auf und fütterte die Pferde, so das sie in Ruhe fressen konnten. Hund Mohr musste "Gassi" gehen . Zwischen 7 Uhr und halb Acht gab es Frühstück, meistens waren wir eingeladen. Danach wurden die Pferde geputzt und aufgeschirrt, der Zigeunerwagen wurde überprüft ob Bremsen und Lichtanlage funktionierten, ob genug Hafer und Wasser an Bord waren. Danach ging es nach der Verabschiedung unser Gastgeber weiter. Mittags gegen ein Uhr wurde eine Rast eingelegt um die Pferde zu füttern und zu tränken auch Hund Mohr musste sich sein Pfoten vertreten, nach eine guten Stunde ging die Fahrt weiter. Nach der Ankunft und Begrüßung unsere Gastgeber und wir wussten wo die Pferde und Wagen untergebracht waren, wurden erst die Pferde versorgt. Ausspannen, ausschirren, abspülen der Beine, Schwitzstellen abwaschen, Hufe begutachten und dann zum fressen und ausruhen in die Box.
Wir fuhren weiter von Saalhausen nach Schmallenberg und hier erwartete uns eine besondere Überraschung. Bernd Müller hatte von unserer Fahrt erfahren und kam mit einem Einhorngespann und begrüßte uns im Sauerland und hatte dafür gesorgt das in Bad Fredeburg vor dem steilen Riemberg zwei Kaltblutpferde vorgespannt werden konnten .Dies klappte alles und so zogen wir mit vier Pferden und zwei Kutscher, denn jeder hielt seine eigenen Leinen in der Hand, den 8 km steilen und langen Riemberg hoch. Es war einfach herrlich.
Oben angelangt bedankten wir uns bei Mathias Rensing für die große Hilfe und fuhren weiter nach Westernbödefeld. Auch hier wieder ein herzlicher Empfang. Es war für Pferde, Hund, Menschen und Kutsche alles bestens gerichtet. So zogen wir täglich unserem Ziel weiter entgegen. Überall wurden wir auf den Höfen liebevoll und herzlich empfangen, Gastfreundschaft wurde groß geschrieben, auf diesem Weg nochmals allen ein herzliches Dankeschön.
Auf den meisten Höfen war auch die Presse geladen und Bürgermeister, Bundestagsabgeordnete, sowie Vertreter der ansässigen Pflegediensten kamen und Unterstützten unser Mission für den Verein HsM "Initiative gegen Gewalt im Alter".
Überall wo wir mit dem bunten Wagen auftauchten wurden wir bestaunt, die Presse war uns schon vorausgeeilt und die Leute wussten vieler Orts von unserer Fahrt nach Berlin Einige reichten uns was zu Essen, andere wieder ein paar Euros für Hafer.
Nach einer Woche waren wir in Uslar und hier wäre bald unsere Reise zu Ende gewesen. Ein Autofahrer hatte es so eilig und überholte uns in Höhe einer Verkehrsinsel und fuhr in unsere Henriette. Es war noch einmal Gut gegangen. Das Auto war beschädigt, aber Henriette fehlte zum Glück nichts, aber wir riefen doch die Polizei, um uns abzusichern, hier sei noch erwähnt das der Zigeunerwagen Tüv abgenommen ist und Vollkaskoversichert ist. Weiter ging es über Einbeck dem Harz entlang nach Herzberg. Hier stellten wir fest das Hanna und Henriette neue Hufeisen haben mussten.
Weiter ging die Fahrt nach Braunlage im Harz, hier war eine große Steigung von 12%. Die Pferde wurden ausgespannt und die vier km hoch geführt und der Wagen kam an einen Traktor, so erreichten wir unsere nächste Station. So wurde auch dieser Abschnitt durch die Hilfe unserer Gastgeber bewältigt. Weiter ging es durch den Harz über Hasselfeld nach Cattenstett, wo wir wieder einen steilen Berg zu bewältigen hatten. Aber es war wieder bestens vorgesorgt worden. 14% Gefälle, 12% Steigung das war den beiden braven Mädchen, die so fleißig und stetig unseren Wagen zogen, nicht zu zumuten.
Nachdem die Pferde im Transporter verladen waren und der Zigeunerwagen angehängt war, sollte es weiter gehen, aber wir wurden von zwei Motorradstreifen gestoppt, sie gingen um das seltsame Gespann herum und ließen sich die Papiere zeigen und wollten uns erst so nicht weiter fahren lassen. Dann aber nach einer kurzen Beratung und Befragung wo wir hin wollten und sie hörten das es sich nur um diese schwierigen 8km handelt, durften wir weiter fahren und aus Verkehrssicherheitsgründen fuhr ein Gradfahrer mit Blaulicht vor uns her und einer hinter uns. Und so wurde auch diese Strecke dank der netten Polizeibeamten gemeistert. In Cattenstett angekommen erwartete uns eine besondere Überraschaung.
Der Reitsportverein Rittergut Cattenstett hatte zu einem Parkfest eingeladen. Es waren Buden von Handwerker aufgebaut,es fanden Ritterspiele statt, ein kleines Reitturnier stand auf dem Programm, die Damen ritten in eleganten Roben im Park. Das Gutshaus und der Park waren abends mit Fackeln und Kerzenlicht hell erleuchtet, man fühlte sich in eine andere Zeit versetzt. Die Gastfreundschaft wurde auch hier wieder ganz groß geschrieben. Auch hier konnten wieder viele Unterschriften für "HsM" gesammelt werden.
Nach zwei herrlichen Tagen ging unser Reise weiter nach dem Ort Wegeleben, wir waren fasziniert von dieser alten Stadt. Man konnte denken, dieser Ort wäre in einem 1000 jährigen Dornröschenschlaf versunken. Diese alten schmucken Gassen, mit einem sehr alten Rathaus, die Zeit war hier stehen geblieben.
Wir fuhren weiter in Richtung Elbe nach Calbe, wo wir am Nachmittag wieder herzlich aufgenommen worden, am nächsten morgen wurde die Fahrt über die Elbe geplant. in Calbe/Barby gab es keine Brücke, sondern nur eine kleine Flussfähre, wo wir aber auch nicht mit beschlagenen Hufen drauf konnten, also mussten wir erst den Zigeunerwagen an einein PKW hängen und rüber bringen lassen und dann wieder zurück fahren und die Pferde in einen Anhänger verladen und hinüber bringen. Diese ganze Aktion dauerte fast einen ¾ Tag und konnte nur so gut gelingen, weil unsere Gastgeber alles für die Überfahrt gut vorbereitet hatten.Weiter ging unsere Fahrt durch eine wunderschöne Landschaft mit Sonnenblumenfelder, Getreidefelder so weit das Auge reicht. Das Wetter war gut, Mensch und Tiere waren guter Dinge und so fuhren wir über Gänsefuhrt nach Dobritz und weiter nach Brück. Von Dobritz nach Brück durchquerten wir 6 Std. einen Zauberwald, wir sahen keine Menschenseele, das Licht fiel durch die hohen Buchen die einige hundert Jahre alt waren. Wir vergasen Zeit und Raum, alle Anspannung war vorbei Ruhe und Geborgenheit zog bei uns ein.
Das es so etwas schönes gibt, wir wurden ganz Andächtig. Später erfuhren wir das dieser Wald unter Naturschutz steht und vor über 500 Jahren angelegt wurde. Diese Wegstrecke war eine unsere längsten Tagestouren, etwa 50 km. 9 Stunden waren wir an diesem Tag gefahren und wir waren alle sehr müde. Am nächsten morgen fuhren wir etwas später los, da die Pferde nach dieser langen Wegstrecke etwas mehr Erholung brauchten. Nun neigte sich unsere Reis bald dem Ende zu. Wir fuhren über Zauchwitz nach Geltow und dann nach Dallgow unsrere letzten Unterkunft auf dem Reiterhof Schwolow. Erst einmal zwei Tage Pause.
Beide Pferde waren gesund und munter und trotz der enormen Leistung, 660 Km hatten sie unter ihre Hufe genommen, hatten sie kein Gramm abgenommen.
Dann kam der große Tag 17. Juni 2003, ein Lebenstraum sollte in Erfüllung gehen. 22Km bis zum Brandenburgertor, das heißt ohne Zwischenfälle 4 Std. Fahrt 1 Std. Pause.
Mein Mann Peter stand um 3 Uhr auf, Pferde füttern, um 5 Uhr Pferde putzen und auf Hochglanz bringen, Geschirr auflegen und anspannen. Um sechs stand die Polizei am Tor um uns aus Sicherheitsgründen auf der B5 bis Berlin zu begleiten. Sie fuhren mit Blaulicht hinter uns her bis zur Stadtgrenze Berlin.
Endlich ging es los, wir waren sehr Aufgeregt und angespannt, wie würden unsere Pferde auf den Großstadtverkehr reagieren, würde alles so klappen, wie wir uns das vorgestellt hatten?
Vier Wochen kein Regen, aber nun an diesem besonderen Tag Regen, aber dann gegen 9 Uhr hörte dieser auf und die Sonne setzte sich durch. Wir kamen zügig voran und gegen 10 Uhr ereichten wir die Siegessäule und konnten das Brandenburgertor im Dunst schon erkennen.
Rechts von der B5 war ein Park und wir fuhren erst einmal darein um die Pferde zu füttern und zu tränken. So gegen 11 Uhr fuhren wir weiter und kamen pünktlich um 11.30 Uhr am Brandenburgertor an. Dort war ein großer Menschauflauf. Unsere Kinder, Enkelkinder, Verwandte, Freunde, Mitarbeiter sowie drei Bundestagsabgeordnete und die Presse waren zum Empfang gekommen. Unsere Gefühle, man kann sie kaum beschreiben, Jubel, Freude, Stolz, Dankbarkeit. Ein modernes Abendteuer war fast zu Ende.
Aber leider doch ein Wehrmutstropfen, trotz Durchfahrtsgenehmigung durch den Polizeipräsidenten wurde uns der Weg durch das Brandenburgertor nicht gestattet. Zwei Amtsschimmel wieherten ganz laut. Wir waren geschockt, alles war doch so gut vorbereitet worden. Die Abgeordneten versucht nun doch noch eine Durchfahrtsgenehmigung zu bekommen, aber es ging nicht. Trotz großer Enttäuschung fuhren wir einmal um die Häuser herum über den Pariser Platz von der anderen Seite zum Brandenburgertor, hier drehte der beste Kutscher der Welt und fuhr den Zigeunerwagen Rückwärts in das Tor hinein. Es sah so aus, als ob wir gerade durchgefahren würen. Die Menschen um uns herum Jubelten, gratulierten und die Berliner Presse lag uns zu Füßen. Danach ging es weiter zum Hotel Adlon, wo wir anhielten, mein Mann Peter überreichte die Peitsche dem Portier und sagte zu ihm "nun Parke mal". Der war natürlich ganz verdutzt und merkte aber bald, das dies ein Scherz war.
Weiter ging es zum Reichstag und hier wurden wir genau da empfangen, wo nur die Staatsgäste empfangen werden.
Staatssekretär Peter Ruhenstroth-Bauer nahm die 2500 Unterschriften und die Petition entgegen und bedankte sich und versprach die Unterstützung der Bundesregierung, die auch schon aktiv geworden ist und einen "runden Tisch Pflege" eingerichtet hat. Auch die Anwesenden Abgeordneten versprachen sich verstärkt diesem Thema anzunehmen.
Nach dieser offiziellen Veranstaltung ging es zurück nach Dallgow.
Ein Lebenstraum war in Erfüllung gegangen. Wir hatten es geschafft, 660 Km, quer durch unser wunderschönes Land und ein neuer Traum zog in unsere Herzen im nächsten Jahr auf nach München und auch da hoffen wir wieder auf liebe Menschen und Unterstützung der Pferdefreunde.
Denn Träume bleiben nicht immer nur Schäume, man muss nur lang genug daran glauben und arbeiten.
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